Schweizer Bundesgericht: Aus heimlicher Computerüberwachung gewonnenes Beweis-material ist unverwertbar

Nicht nur deutsche Arbeitgeber legen bei der Kontrolle ihrer Mitarbeiter zuweilen eine besondere Kreativität an den Tage, dies zeigt ein aktuelles Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts vom 17.01.2013 (Az. 8C 448/2012). Ein Arbeitgeber verdächtigte seinen Arbeitnehmer, den ihm zur Verfügung gestellten Computer nebst Internetzugang zu betriebsfremden privaten Zwecken zu verwenden. Um diesen Verdacht zu bestätigen, lies der Arbeitgeber ein Überwachungs-Programm installieren, welches über drei Monate unbemerkt alle über den Computer getätigten Operationen (aufgerufene Webseiten, E-Mail-Verkehr) aufzeichnen konnte. Aufgrund dieser Aufzeichnungen konnte nachgewiesen werden, dass der Angestellte einen erheblichen Teil seiner Arbeitszeit für private oder doch mindestens für geschäftsfremde Zwecke verwendete. Da das Programm in regelmäßigen Abständen Bildschirmfotos (Screenshots) erstellte, erlaubte diese Kontrolle dem Arbeitgeber auch, vom Inhalt der besuchten Webseiten und der elektronischen Post Kenntnis zu nehmen. Diese Inhalte waren teilweise streng vertraulich (e-Banking) oder zumindest privat. Der Arbeitgeber nahm seine Erkenntnisse zum Anlass, den Arbeitnehmer fristlos zu kündigen. Zu Unrecht, urteilte nunmehr das Schweizer Bundesgericht.

 

Bewertung:

 

Das Urteil ist zutreffend und dürfte auch auf die deutsche Rechtslage übertragbar sein. Zwar ist es einem Arbeitgeber grundsätzlich gestattet, die private Nutzung von Informations- und Kommunikationsanlagen (IuK) generell zu untersagen und die Einhaltung des Verbotes auch stichprobenartig zu überprüfen; gleichwohl ist dem Informationsinteresse des Arbeitgebers auch in diesem Fall eine klare Grenze gesetzt. Hat sich der Arbeitgeber dazu entschieden, die private Nutzung von Internet und E-Mail am Arbeitsplatz zu untersagen, stellt sich eine weisungswidrige Nutzung durch die Beschäftigten als Pflichtverletzung des Arbeitsvertrages dar, die - ggf. nach Abmahnung - zur Kündigung des Arbeitnehmers berechtigen kann. Für den Arbeitgeber, der die private Nutzung von Internet und E-Mail am Arbeitsplatz nicht gestatten möchte, stellt sich die Frage inwiefern er - ohne Verstöße gegen geltendes Datenschutzrecht - kontrollieren kann, ob - entgegen seiner Weisung - die betrieblichen EDV-Anlagen auch für private Zwecke genutzt werden. Da die bereichsspezifischen Datenschutzregelungen im TKG und TMG hier keine Anwendung finden, sind im Zusammenhang mit der Nutzung dieser Telekommunikationseinrichtungen die allgemeinen daten-schutzrechtlichen Bestimmung zu beachten (§ 1 Abs. 3 Satz 1 BDSG). Insbesondere im Rahmen der Überwachung der dienstlichen Nutzung von Internet und E-Mail kommt es regelmäßig zu einer Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Verbindungs-, Nutzungs- und Inhaltsdaten im Sinne von § 3 BDSG. Die erfassten Daten der Internetnutzung können dabei Informationen darüber enthalten, welche Internetdienste wann und wie lange benutzt und welche Angebote im Einzelnen aufgerufen wurden. Die in nahezu jedem Browser aufrufbare Nutzungshistorie kann dazu genutzt werden, ein regelrechtes Nutzungsprofil (Surfverhalten) des jeweiligen Beschäftigten herzustellen. Auch wenn dem Arbeitgeber daran gelegen ist, den dienstlichen E-Mail-Verkehr entweder aus rein unternehmerischen Zwecken oder zur Überprüfung der Einhaltung des Verbotes privater Nutzung zu überwachen, gelten auch hier die allgemeinen Bestimmungen des BDSG. Dementsprechend ist die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten auch bei einem Verbot der privaten Nutzung von Internet und E-Mail grundsätzlich nur dann zulässig, soweit eine gesetzliche Bestimmung dies gestattet oder eine konkrete Einwilligung des Betroffenen vorliegt.

 

Da die Protokollierung der Nutzungsdaten durch den Arbeitgeber wegen des im Rahmen der Datenerhebung nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 BDSG zu beachtenden Verhältnismäßigkeitsprinzips je-doch nicht zu einer lückenlosen Kontrolle des Verhaltens des Beschäftigten am Arbeitsplatz führen darf, die allgemein als schwerwiegender Eingriff in das Persönlichkeitsrecht angesehen wird und nur bei einem konkreten Missbrauchsverdacht im Einzelfall zulässig sein soll, ist der Arbeitgeber grundsätzlich nur dazu berechtigt, den E-Mail-Inhalt stichprobenartig zu überprüfen. Insoweit ist auch die Vorgabe des § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG zu beachten, der die Datenerhebung im Beschäftigungsverhältnis grundsätzlich vom Vorliegen einer betrieblichen Erforderlichkeit abhängig macht. Regelmäßig sollte der Arbeitgeber daher nur stichprobenartig auf einzelne dienstliche E-Mails zugreifen, weil eine Vollprotokollierung einer nicht mit dem Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers zu vereinbarenden umfänglichen Verhaltens- und Leistungskontrolle gleichzusetzen und damit unzulässig wäre (Elschner, in: Hoeren/Sieber (Hrsg.), Handbuch Multimedia-Recht, 26. Ergänzungslieferung 2010, Teil 22.1, Rn. 176). Der Beschäftigte darf insoweit grundsätzlich keinem unzumutbaren Überwachungsdruck ausgesetzt sein, dem eine Vollprotokollierung sicherlich immanent wäre. Dementsprechend sollte ein unmittelbarer Zugriff des Arbeitgebers auf die E-Mail-Konten seiner Beschäftigten nicht eingerichtet werden.

 

Juliane Kazemi